02 Okt Milliarden Forderung der Bauträger an die Finanzämter
Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs könnte für Bauträger wegweisende Bedeutung haben: In Zukunft dürfen sie Umsatzsteuer vom Finanzamt fordern, die sie viele Jahre für Leistungen am Bau abgeführt haben. Nach Auffassung der Richter war die bisherige Praxis der Finanzbehörden rechtswidrig, eine Anweisung aus dem Finanzministerium wurde damit verworfen. Im Ergebnis geht es um einen Betrag in einer Größenordnung von rund neun Milliarden Euro.
Die Bedeutung dieses Urteils mag sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Doch die Richter selbst führten aus, dass das Urteil Auswirkungen für die gesamte Branche in Deutschland hat. In den letzten Jahren wurden Wohnungen gebaut, ohne die Vorsteuer abzuziehen und Umsatzsteuer zu erheben. Das Urteil ist auch ein deutliches Signal an die gesamte Finanzverwaltung, denn die betroffenen Unternehmen haben nun das Recht, die an das Finanzamt zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer einzufordern (Az. V R 49/17 v. 29. September 2018).
Steuerlastumkehr auf Bauträger seit 2013 nicht anzuwenden
Hintergrund der Anweisung der Finanzämter ist, dass man bisher angenommen hatte, ein Bauträger müsse als der Empfänger von Bauleistungen Steuern aus dem Paragraphen 13b des Umsatzsteuergesetzes abführen. Das Verfahren läuft bereits seit einigen Jahren. Der Bundesfinanzhof hatte schon 2013 entschieden, dass die Steuerlastumkehr auf Bauträger nicht anzuwenden sei, weil sie die Bauleistungen nicht selbst erbringen, sondern lediglich bereits bebaute Grundstücke veräußern. Damit seien sie nicht der Schuldner der Umsatzsteuer (Az. V ZR 37/10 v. 22. August 2013).
Die eigentlichen Steuerschuldner – die Bauunternehmen – konnten zunächst einen Vertrauensschutz geltend machen. Allerdings wurde dieser Vertrauensschutz durch den Gesetzgeber eingeschränkt, da man Steuerausfälle in einer Größenordnung von zehn Millionen Euro befürchtet hatte und vermeiden wollte. In der Folge wurden die Steueransprüche gegen die Baufirmen von den Bauträgern an die Finanzämter abgetreten. Die Rückzahlungen wurden im Gegenzug verringert.
Bei einer Insolvenz der Baufirmen oder bei einer Verjährung hatte die Finanzbehörde die Umsatzsteuer an die Bauträger zu erstatten. Der Bundesfinanzhof stimmte diesem Verfahren im Jahr 2017 zu.
Im weiteren Verlauf reduzierten die Finanzbehörden die Erstattungen allerdings weiter. Sie leisteten nur dann eine Erstattung, wenn der Bauträger die Umsatzsteuer seinerseits an das Bauunternehmen zahlte oder wenn das Finanzamt mit ihm aufrechnen konnte. Das bedeutete, dass der Bauträger nicht für die gezahlte Steuer entlastet würde. Genau hier setzt das Urteil des Bundesfinanzhofs an, denn seiner Auffassung nach sind die Bedingungen der Finanzbehörden rechtswidrig. Auf die Eingangsleistungen sei ein Bauträger keine Umsatzsteuer schuldig, so die Auffassung.
Bauträger können ca. EUR 10 Mrd. fordern
Experten aus der Immobilien- und Wohnungsbranche gehen davon aus, dass der Bauträgerbranche nun enorme Erstattungen zustehen. Man geht von Schätzungen in einer Größenordnung zwischen fünf und knapp zehn Milliarden Euro aus. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man 300.000 Wohnungen mit einer Größe von 70 Quadratmetern zu Baukosten von rund 2.500 Euro pro Quadratmeter ansetzt und auf diesen Betrag 19 Prozent Umsatzsteuer erhebt.
Diese Annahmen entsprechen etwa dem Volumen, das die Baubranche innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren abdeckt. Allerdings räumen Experten ein, dass es sehr schwer ist, seriöse Prognosen abzugeben. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass es auf die individuelle Gestaltung der Verträge ankommt, ob ein Bauunternehmen noch eine Erstattung an Subunternehmer leisten müsse oder ob es die Steuererstattung selbst behalten dürfe. Lesen Sie hier die Pressemitteilung des Bundesfinanzhof.
Unternehmen, die die Steuererstattung geltend machen wollen, sollten nun schnellstens handeln. Sinnvoll ist es, die Umsatzsteuerbescheide aus den letzten Jahren zu prüfen und noch bis zum Jahresende 2018 einen Erstattungsantrag nach dem Paragraphen 13b des Umsatzsteuergesetzes beim Finanzamt einzureichen. Dabei ist darauf zu achten, dass alle Zeiträume abgedeckt werden, die nach dem Verfassungsrecht noch offen bleiben. Sofern Bescheide offen sind, können dafür auch Zinsen in einer Höhe von sechs Prozent pro Jahr erhoben werden. Sollte die Finanzverwaltung das Urteil akzeptieren, werden die Erstattungen die Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden reduzieren.
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